Philosophischer Aktivismus - für echte Erfolge muß man zu den Wurzeln vordringen

Viele von uns fühlen die Notwendigkeit, in unserer Gesellschaft konkrete Maßnahmen zu ergreifen, mit der Hoffnung dass unsere Kinder einmal einen besseren Ort zum Leben haben werden. Ohne Berücksichtigung der tieferen und tatsächlichen Gründe für unsere Probleme, kann gut gemeinter Aktivismus jedoch eine Sisyphusarbeit werden - sich ständig wiederholende Aktionen, die keine wirkliche Veränderung bewirken.

Wangari Maathai, die verstorbene kenianische Nobelpreisträgerin, sprach über einige Hilfskampagnen, die ihren Zweck völlig verfehlt haben. Als Beispiel nannte sie eine Problemstellung, die von durch Stechmücken übertragenen Krankheiten verursacht wurde. Dieses Problem wurde durch die Spende und Installation von Moskitonetzen in den betroffenen Dörfern in Afrika “gelöst". Das Problem ist, dass die Netze sich mit der Zeit zersetzen und untauglich werden, und dann wiederum humanitäre Hilfe von aussen notwendig ist.

Sie bot eine bessere Lösung an - die Erziehung der Menschen, damit sie ihre eigenen Lösungen für Probleme entwickeln können und nicht mehr auf externe Hilfe angewiesen sind. Das heißt, sie lehren zu fischen, statt ihnen Fische zu geben.

Jedem ist bewußt, daß Gedanken oder Erkenntnisse alleine ohne daraus folgende Handlungen zu keiner Verbesserung führen. Auf der anderen Seite ist Aktivismus ohne entsprechende Überlegungen oder die richtigen Erkenntnisse sinnlos und oft gefährlich. Denn es wird dann der Öffentlichkeit vorgetäuscht, das Problem sei gelöst, in Wirklichkeit gibt es aber keine langfristige Lösung, sondern nur eine Verschiebung des Problems. Es ist notwendig, die Wurzel des Problems zu suchen, und diese Wurzeln sind in der Regel nicht im sichtbaren, physischen Bereich zu finden, sondern in den Einstellungen der Menschen.

Karies zum Beispiel ist ein physisches gesundheitliches Problem. Aber wenn wir tiefer graben, werden wir feststellen, dass sie eine Folge schlechter Ernährung und dem übertriebenen Genuß von Süßigkeiten ist. Wenn wir noch tiefer graben, werden wir emotionale Gründe für den unausgewogenen Konsum von Süßigkeiten finden. Und graben wir noch tiefer, werden wir noch tiefere Wurzeln finden - mentale Muster, die zu diesen Ungleichgewichten geführt haben. Natürlich möchten wir den Zahnschaden zuerst beheben, weil er Schmerzen verursacht. Aber wenn wir die Wurzeln des Problems nicht behandeln, werden wir irgendwann die Zähne samt ihren Wurzeln entfernen müssen.

In der gleichen Weise sind viele unserer Probleme Symptome unserer kulturellen Denkweisen, der Art, wie wir die Natur wahrnehmen, die Welt und uns selbst.
Wir wollen z.b. Umweltbelastungen reduzieren, aber zuerst sollten wir die Denkweise finden, die uns zu Beginn des Problems von der Natur getrennt hat.
Wir wollen gegen den Krieg und für den Frieden kämpfen, aber wie können wir Krieg führenden Nationen helfen, wenn wir nicht einmal kleine Konflikte mit unseren Freunden, Familie oder Nachbarn zu lösen imstande sind?
Wir sprechen über die wirtschaftliche Ungleichheit und die Ungerechtigkeit der Einkommensverteilung, aber wir halten uns für unschuldig an der Denkweise, die materiellen Besitz über ethische Werte und Profit über Brüderlichkeit setzt.

Daher ist der erste Schritt zum Verständnis unserer Probleme, die Menschen dahinter zu verstehen. Echter sozialer Wandel beginnt immer mit einer Änderung des Individuums. Der große Philosoph und Staatsmann Mahatma Gandhi sagte, dass das indische Volk für ihn der größere Feind sei als das englische. Denn sein Kampf richtete sich nicht in erster Linie gegen die Engländer, sondern von größerer Bedeutung war für ihn die Erziehung des indischen Volk zu einem Glauben an ihr Recht auf Freiheit und Selbständigkeit.

Er sagte auch, der größte Feind ist man sich selbst, denn jeder sollte selbst die Veränderung sein, die er in der Welt sehen will. Das ist die größte und tiefste Herausforderung eines jeden wahren Idealisten und Philosophen.

Wir müssen also den Aktivismus überdenken. Es ist wichtig, Philosophie in den Aktivismus zu integrieren. Wir müssen nach den Wurzeln der Realität in unseren Verhaltensweisen suchen und unsere Wahrnehmung allmählich verändern. Es ist notwendig, Aktivismus mit philosophischer Erkenntnis zusammenzubringen, und daraus eine neue Form zu kreieren, den „philosophischen Aktivismus“.


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Dieser Artikel ist eine bearbeitete Übertragung des unter http://library.acropolis.org/philosophical-activism-for-best-results-start-at-the-root/ erschienen Artikels von Gilad Sommer ins Deutsche.

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